Eine Runde durch die Niederlande

Wenn du für die Nussnougatcreme einen Meißel brauchst – Eine Runde durch die Niederlande


5. Mai 2024

Wir sind ja schlau, Bahnprofis und mögen keinen Stress. Also beschlossen wir schon um 05:21 und nicht um 07:00 unsere Reisen nach Arnheim anzutreten. Sieben Minuten Umsteigezeit mit schweren Reiserädern und das im Baustellen-Bahnhof von Paderborn, das wäre für einen Urlaubsanfang einfach zu hart. Paderborn ist nämlich unsere Achillessehne. Es war keine schlaue Idee.

Also fahren wir nicht über Bodenfelde nach Paderborn, sondern über Hannover und von dort mit der S 5 nach Paderborn. Bodenfelde ist auch wegen des fehlenden Aufzuges für Radreisende eine No-go-Area. 

In Hannover war noch alles gut

Der erste Umstieg funktioniert, wir nähern uns Paderborn und das Smartphone brummt in meiner Jackentasche. Mit offenem Mund lese ich die Meldung. Die Fahrt endet in Steinheim wegen Schnee. Nasser Schnee auf belaubten Bäumen ist nicht optimal. Baum müde, Oberleitung kaputt, Zug müde.

Endstation, von hier geht 400m höher ins Chaos

Wir müssen zwei Stunden überbrücken, also fahren wir in den Ort, frühstücken und schütten mehrere Kaffees in uns rein. Zurück am Bahnhof herrscht Verwirrung und am Ende sollen jetzt die nächsten fünf Stunden keine Züge fahren. Die Fahrt mit den Rädern fortzusetzen ist auch keine Alternative, denn zum einen lagen die Bäume auch auf der Straße und über 30 kg schwere Räder auf Schnee und Eis ist keine wirklich gute Idee. 

Wir beschließen, mit der S 5 nach Hameln zurückzufahren. Von dort wollen wir dann über Löhne und Herford Richtung Arnheim kommen. Schlaue Idee, aber jetzt streikt eine Weiche und wir sind in Steinheim gefangen. Aber wir sitzen in einem warmen Zug, haben Strom, Verpflegung und genug zu lesen. Die Zugbegleiterin erlaubt uns das Aufstellen unseres Zeltes, nur auf ein Feuer sollten wir verzichten. Wir können sie beruhigen, indem wir ihr mitteilen, dass wir einen Gaskocher haben.

Es wird immer später und wir landen schließlich im Bauwagen bei unseren Freunden in Solingen.

Am nächsten Tag radelten wir nach Monheim und weiter am Rhein entlang nach Düsseldorf. Dort fahren wir dann mit der R 19 nach Arnheim. Um kurz nach eins sitzen wir wieder auf unseren Rädern und fahren noch ein paar Stunden auf dem EV 15 Richtung Meer. Im zweiten Anlauf finden wir einen Campingplatz und bekommen telefonisch unseren Platz. Mittlerweile war es nämlich schon 18:30 und der Empfang hatte nur bis 18:00 geöffnet. 

Auf dem Campingplatz gibt es genau zwei Bekloppte mit Zelt und das sind wir. Die paar anderen Camper aus den Wohnwagen bekunden uns ihr Mitleid.

Die Nacht soll nämlich richtig kalt werden und wir wissen nicht, ob unsere Schlafsäcke warm genug sind. Deren Komfort beginnt bei 5 °C. Am nächsten Morgen sind es -2 °C und auf den Rädern glitzert der Raureif.  Die Nacht war dank Merino Unterwäsche, Pullover und Mütze überraschend warm. Zumindest so lange man nicht daran dachte, irgendein Körperteil an die Luft zu hängen.

Die nächste Herausforderung beginnt mit dem Frühstück. Ein Gaskocher ist bei solchen Temperaturen einfach eine Pussy, aber irgendwann kocht das Wasser und der Kaffee ist fertig. Die Nussnougatcreme lässt sich nur mit Mühe aus dem Glas meißeln und landet einfach in großen Brocken auf dem Milchbrötchen.

Der Betreiber des Platzes hat Mitleid oder Hochachtung, auf alle Fälle will er nur 10 €.

Wir fahren weiter Richtung Meer, es ist kalt, ziemlich windig und die Fahrerei ist zäh ohne Ende. Irgendwann passieren wir einen wunderschönen, kleinen Campingplatz und beschließen Feierabend zu machen. Es ist fünfzehn Uhr und wir haben gerade mal 55 Kilometer gemacht, Motivation sieht anders aus.

Der Blick auf die Wetter App gibt uns dann den Rest. Viel Regen und der Wind soll uns mit 50 km/h ins Gesicht blasen. Wir beschließen, dass wir auf dieser Reise das Meer nicht sehen werden. Wir fahren nun schräg mit dem Wind Richtung Venlo. Die Strecke zwischen Wal und Maas ist wunderschön und bis zum Mittag haben wir richtig Glück mit dem Wetter.

Dann wurde es heftig, ein wilder Wettermix aus Sonne, Hagel- und Regengüssen und dazu teils richtig heftiger Wind. Wenn du seitlich im Rad hängst, obwohl da keine Kurve ist, dann ist Wind.

Nach 110 km landen wir in einem schönen Bed & Breakfast in Boxmeer und sind komplett durch. Es reicht nicht mal mehr für einen Gang ins Restaurant. Wir greifen in unsere Taschen, klatschen den Käse auf die letzten Brotscheiben und schlafen kurz darauf ein.

Am nächsten Morgen bekommen wir ein sehr üppiges Frühstück. Wir fahren nach Goch und weiter mit dem Zug nach Krefeld. Weiter geht es mit den Rädern nach Duisburg. Dort sitzen wir dann in der Fußgängerzone und denken über die weiteren Schritte nach. Das Ergebnis ist aber eigentlich klar. Wir nehmen den Zug und fahren heim, die Luft ist raus. Es ist kalt, windig und regnerisch, wir haben nach 310 km keinen Bock mehr. 

Diesmal fahren wir über Bodenfelde, denn der Zug kommt auf Gleis 3 an und der Anschluss fährt von Gleis 2. Ein Blick in die Bahnapp bestätigt, dass das ein Bahnsteig ist.

Die Ansage im Zug kündigt Bodenfelde mit „Ausstieg in Fahrtrichtung links“ an. Links, das geht doch gar nicht, da ist doch nichts. Der Zug fährt ein und rechts ist nur ein dunkles Loch. Von dem Bahnsteig existiert nur noch eine Hälfte, also die für Gleis 2. Wir steigen wirklich links aus, auf einen Behelfsbahnsteig aus Metall, Bodenfelde wird barrierefrei! Das ist zwar schön, aber wir bekommen gerade die Motten.

Wir haben glücklicherweise genug Zeit, die Umleitung (550 m) zu fahren und die Räder über die Treppen auf Gleis 2 zu schleppen. 

Food

Beim Einkauf ist uns aufgefallen, dass das vegane Angebot wesentlich größer als in Deutschland ist. So gibt es vom „The Vegetarian Butcher“ in Deutschland 11 Produkte, in den Niederlanden sind es 27. So landete unter anderem das Sate von besagtem Metzger mit roter Paprika, Erdnusssauce und Nudeln auf unseren Tellern. Dazu das unvermeidliche Sambal Oelek.

Bei den Milchprodukten nahm die vegane Auswahl oft den größeren Teil im Kühlregal ein. 

Tipp

Vergiss in den Niederlanden Google Maps, Komoot oder sonstiges, nimm die Fietsknoop App. Du kannst das Display ausschalten, hörst nur noch auf die Ansagen und schaust auf die Beschilderung an der Straße. Du kannst keine Abzweigung verpassen, weil die App den nächsten Punkt ankündigt und auch die Schilder darauf hinweisen. Entspannter kann man nicht durch die Niederlande reisen.

Und doch schön

Die fünf Tage und 310 Kilometer waren anstrengend und am Ende war es doch schön. Wir waren mal nicht an der Küste der Niederlande unterwegs, sondern im Landesinneren und die haben da wirklich richtig geile Fleckchen. Vor allem die Fahrten durch die sehr schönen Wälder gehörten zu unseren Highlights. Im Übrigen waren 90 % unserer Wege im Wald asphaltiert. Die Wege sind meist immer zwei geteilt, eine Hälfte ist befestigt für alles, was Räder, aber keinen Motor hat. Die andere Hälfte ist naturbelassen.

Hier gab es mal nur befestigter Weg

Wir wissen jetzt, dass wir mit leichten Minusgraden umgehen können. Ist halt nur unnützes Wissen, weil wir beschlossen haben, dass wir das nicht wirklich brauchen. Ein nächstes Mal wird es eher nicht geben, bei solchen Temperaturen gehen wir lieber in ein Hotel.

Und im kommenden Artikel geht es um Galaxien.